
Die Didacta 2025 war wohl so politisch wie noch nie. Bereits im Vorfeld gab es heftige Auseinandersetzungen um das Einladen der in Teilen rechtsextremen AfD als Hauptaussteller. Mit Blick auf das Motto der Stuttgarter Messe „Demokratie braucht Bildung - Bildung braucht Demokratie“ war das für sehr viele Menschen (uns eingeschlossen) ärgerlich, unverständlich und so nicht zu akzeptieren. Erfreulicherweise zeigte sich der Widerstand auf der Messe an vielen Stellen. So gab es nicht nur tägliche Demonstrationen am Stand der AfD. Einige Aussteller verteilten Buttons und Aufkleber, um den Widerstand gegen Hass und Hetze sichtbar zu machen. Letztlich lehnte sogar Marina Weisband den ihr verliehenen Preis als Bildungsbotschafterin 2025 ab. Ihre eindrucksvolle Begründungsrede kann auf ihrem Blog nachgelesen werden: „Standhaftigkeit ist, wenn es weh tut“.
Gleichzeitig war die Didacta wie auch in den letzten Jahren vielfältig, bunt, zukunftsgerichtet und ideenreich. Im Zentrum vieler Panels, Vorträge und Software-Neuerungen standen die Entwicklungen und die Integration zu bzw. von Künstlicher Intelligenz. Dass KI in diesem Jahr das dominierende Thema der Bildungsmesse war, erkennt man nicht zuletzt daran, dass der Didacta Start-up Award zum dritten Mal in Folge an ein KI-Start-up ging. Darüber hinaus zeichnen sich weitere Trends ab, die für uns von großem Interesse waren. Wir beschlossen noch auf der Messe, einen kurzen Rückblick zu den (uns zugänglichen) Entwicklungen zu schreiben. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, wollen wir versuchen, aktuelle und zukünftige KI-bezogene Linien im Bildungsbereich zu fassen und überblicksartig darzustellen. Unser Fokus liegt auf dem Gesamtbild, weshalb wir bewusst auf die Erwähnung konkreter Tools verzichten.
Welche Trends lassen sich auf der Messe erkennen?
Zuerst fällt auf, dass die etablierten KI-Anbieter mit einem großen Repertoire an KI-Werkzeugen Konkurrenz aus verschiedenen Richtungen erhalten: Neue KI-Start-ups drängen auf den Markt, Bundesländer entwickeln (mehr oder weniger erfolgreich) eigene KI-Plattformen und auch die großen Schulbuchverlage & Lernplattformen mischen mit eigenen KI-Angeboten mit. Dabei kann man das Gefühl bekommen, dass die Angebote der KI-Generalisten immer ähnlicher werden: Die häufigsten Funktionen kreisen um KI-Zugänge für Lernende (mit Chat, Custom-Bots, Bilderstellung etc.), aber auch um Korrektur, Tools zur Contenterstellung und Hilfsmittel bei der Unterrichtsplanung. Auch 2025 wird es so sein, dass vielversprechende neue Funktionen generativer KI in den Werkzeugkästen ergänzt werden (z.B. multimodaler KI-Output wie bei der Podcasterstellung).
Die großen Verlage können insbesondere dadurch punkten, dass ihre KI-Suiten direkt an Lehrbuchinhalte anknüpfen und somit kuratierten Schulbuch-Content verwenden. Dies stellt auch eine Art Absicherung der Verlage dar, um die unkontrollierte und urheberrechtswidrige Verwendung von Schulbuchinhalten in fremden KI-Systemen zu unterbinden. Interessant wird die Frage sein, ob es Schulbuchverlagen gelingen wird, den in Jahrzehnten aufgebauten Datenschatz ihrer Schulbuchautor:innen zu heben, indem sie eigene, in Deutschland gehostete, LLMs entwickeln (lassen).
Als weiterer Trend zeichnen sich Kooperationen zwischen den (Schulbuch-)Verlagen und EdTech-Unternehmen ab. Die Kooperationen stellen dabei eine win-win-Situation dar. Einerseits ermöglichen sie kleineren KI-Unternehmen mit spezialisierten Anwendungen ein größeres Nutzungsumfeld. Andererseits profitieren die Verlage von bereits entwickelter KI-Architektur und sparen Entwicklungszeit und -kosten.
Als abzugrenzende eigene Kategorie entwickeln sich KI-Tools mit begrenzterem Einsatzgebiet. Diese hochspezialisierten Angebote zeichnen sich durch einen klaren Fokus aus und bieten oft nur wenige Funktionen: Hierunter fassen wir Anwendungen zur Unterrichtsvorbereitung bzw. Stundenplanung, die bei Lehrkräften mit Zeitersparnis und Effizienzsteigerung werben. Darüber hinaus zeigten sich auf der Didacta Unternehmen mit Diagnose- und Korrektur-Tools, Programme für intelligentes und KI-unterstütztes Üben sowie für Feedback und Lernbegleitung bei unterschiedlichsten Aufgaben. Des Weiteren konnten wir Anbieter entdecken, die ihren Fokus auf Content-Erstellung gelegt haben (z.B. für das Erstellen von Arbeitsblättern oder digitalen Übungen). Auffällig ist die bei verschiedenen Anwendungen sichtbare zunehmende Multimodalität.
Jenseits dieser KI-Angebote konnten wir wahrnehmen, dass auch Anbieter von Verwaltungssystemen, Schulserver-Lösungen und inhaltsorientierten Lernplattformen auf die Integration (kleinerer) KI-Schnittstellen setzen. Damit schreitet die prognostizierte Durchdringung jeglicher Software von KI-Technologie voran. Das dürfte vor allem daran liegen, dass Software-Anbieter den KI-Zug nicht verpassen wollen. Die LLM-Integration wird so zu einer Art Gütesiegel zeitgemäßer Tools, unabhängig davon, ob die Anbindung tatsächlich Sinn macht und von Nutzer:innen gewünscht ist.

Ausschreibungen und politische Programme im Bildungsbereich
Die Vergabe für die Entwicklung eines bundesweiten Adaptiven Intelligenten Systems (kurz AIS) an ein Konsortium im Januar (https://fwu.de/projekte/ais/) hat dazu geführt, dass intelligente Tutorsysteme (ITS) auf der Messe nicht wahrnehmbar thematisiert wurden. Die Bildungsmedienanbieter warten offensichtlich ab, wie es mit der Plattform weiter geht. Laut Ausschreibung soll die Plattform kommerziellen Bildungsmedien offenstehen, also zu einem späteren Zeitpunkt mit Inhalten gefüllt werden.
Verwirrung herrscht zudem bei den Anbietern und Nutzer:innen von KI-Tools sowie bei Schulleitungen über die zukünftigen Auswirkungen des EU AI Acts. Niemand weiß momentan verlässlich, wie die KI-Verordnung konkret ausgelegt werden wird und was ggf. die Einstufung als Hochrisikoanwendung genau bedeuten könnte. Erste Bildungsmedienverbände setzen sich jedoch bereits für ein länderübergreifendes Tool-Gütesiegel ein. Unklar ist auch, welche genauen Anforderungen im Bereich der Fort- und Weiterbildung für Lehrkräfte erforderlich sind, die KI-Anwendungen einsetzen. Laut Verordnung sind Anbieter und Betreiber von KI-Systemen dazu verpflichtet, geeignete Schulungsmaßnahmen zu ergreifen. Sie müssen sicherstellen, dass ihr Personal und andere in ihrem Auftrag tätige Personen, die mit dem Betrieb und der Nutzung von KI-Systemen befasst sind, über ausreichende KI-Kompetenz verfügen (Artikel 4). Konkrete Vollzugsbestimmungen liegen bislang jedoch nicht vor.
Ein ähnliches Chaos deutet sich bei der Finanzierung der Tools an: Einige Bundesländer investieren selbst in Volumenlizenzen oder haben KI-Budgets aufgelegt, andere Länder bieten ihren Schulträgern und Schulen keine finanzielle Unterstützung. Der bereits bestehende Flickenteppich unterschiedlicher Ansätze droht sich fort- und festzusetzen.
Selbst beim Startchancen-Programm des Bundes herrscht große Unsicherheit. Die teilnehmenden Schulen wissen oft nicht genau, wie und wofür sie das Geld der Säule 2 („Chancenbudget“) ausgeben dürfen. Hinzu kommt, dass die Länder es den KI-Anbietern schwer machen, weil jedes Bundesland ein anderes Verfahren zur Zertifizierung der Tools anwendet. Spricht man mit den Schulleitungen der Startchancen-Schulen, zeigt sich deutliche Skepsis, ob sich im ersten Jahr des Programmes überhaupt etwas tun wird.
Fazit: Es braucht mehr politische Steuerung
Die Didacta 2025 hat gezeigt, dass Künstliche Intelligenz den Bildungsbereich prägt und auch in Zukunft weiter verändern wird. Während etablierte Anbieter und zahlreiche neue Start-ups um Marktanteile konkurrieren, rücken Schulbuchverlage stärker in den Fokus, indem sie KI-Lösungen mit kuratierten Materialien verbinden. Gleichzeitig bieten spezialisierte KI-Tools verschiedenste Möglichkeiten, die Lehrkräfte in der Unterrichtsvorbereitung, Diagnostik, Feedback oder Korrektur zu unterstützen.
Trotz dieser Innovationsdynamik bleiben große Unsicherheiten. Die Auswirkungen des EU AI Acts sind ebenso unklar wie die Finanzierung und Zertifizierung von KI-Tools in den Bundesländern. Auch das ambitionierte Projekt, ein bundesweites Adaptives Intelligentes System (AIS) auszuschreiben und entwickeln zu lassen, lässt viele Fragen offen. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob sich eine einheitliche Linie in der Bildungspolitik durchsetzt oder ob der KI-Markt clusterartig fragmentiert und damit vor allem für Lehrkräfte unübersichtlich bleibt. Fest steht: Die KI-Entwicklungen im Bildungsbereich schreiten rasant voran. Ohne klare politische Rahmenbedingungen besteht jedoch die Gefahr, dass diese Potenziale ungenutzt bleiben.
Zu den Autoren
Joscha Falck ist Lehrer und Schulentwicklungsmoderator in Mittelfranken. Darüber hinaus ist er Redaktionsmitglied bei IQESonline und als Fortbildner, Referent, Blogger und Autor tätig. Kontakt: www.joschafalck.de
Hendrik Haverkamp ist Lehrer am Evangelisch Stiftischen Gymnasium, Mitglied im Institut für zeitgemäße Prüfungskultur, Co-Leiter des Virtuellen Kompetenzzentrums Schreiben Lehren und Lernen mit KI (VK:KIWA) und Co-Gründer von FelloFish.